Pädagogischer Ansatz

FRANZ-KETT-PÄDAGOGIK

GANZHEITLICH - SINNORIENTIERT

ERZIEHEN UND BILDEN (GSEB)

FRANZ-KETT-PÄDAGOGIK

EIN REFORMPÄDAGOGISCHER ANSATZ AUF DER BASIS EINES CHRISTLICHEN MENSCHENBILDES

Dieser reformpädagogischer Ansatz wird im Jahrbuch „Ganzheitlich sinnorientiert erziehen und bilden“ auf dem Hintergrund eines christlichen Menschenbildes reflektiert und in praktischen Beispielen dargestellt. Die Erstausgabe des Jahrbuches erschien im Juli 2010 im Franz Kett – Verlag GSEB, Irisstraße 4, 82194 Gröbenzell und es folgen bis heute jährlich (zur Jahresmitte) weitere Ausgaben. 

Mit dem Namen Franz-Kett-Pädagogik verbindet sich eine Pädagogik, die beansprucht, einen ganzheitlichen, sinnorientierten Weg der Erziehung aufzuzeigen. Sie ist in ihrer Intention nicht als Religionspädagogik im klassischen Sinn zu verstehen ist, sondern mehr als ein allgemeiner, reformpädagogischer Ansatz, bei dem die religiöse Dimension beim Menschen und deren Ausbildung Herzstück ist.

Das Eigentümliche dieser Pädagogik in Kürze zu beschreiben ist schwierig. Ein Versuch soll dennoch gewagt werden.

 

DIE FRANZ-KETT-PÄDAGOGIK  EINE DASEINSPÄDAGOGIK

Noch ehe du im Mutterleib geworden bist, habe ich dich gekannt. Jer.1,5

Zu den Grundbedingungen menschlicher Existenz zählt aus der Perspektive der Franz-Kett-Pädagogik, dass Leben gegeben, somit eine Gabe ist und eine Aufgabe enthält. Unsere Existenz gründet in Vorgegebenheiten. Dazu zählen unsere Eltern, die Reihe unserer Ahnen, aber auch die stofflichen Voraussetzungen wie Erde, Wasser, Luft, Licht, usw. Wir sind eine verdankte Existenz.

Menschliches Leben wurde empfangen, d.h. es steht, unter welchen Umständen auch immer, das Ja eines Menschen, vorzüglich der Mutter dahinter, die sich bereit erklärt hat, dem neuen Leben Platz einzuräumen.

Mit dem Ankommen eines Kindes sind schließlich Erwartungen verknüpft, ja Hoffnungen, sodass man von einer schwangeren Frau sagen kann, sie sei guter Hoffnung.

Die aufgezeigten Phänomene sind positiv, begründen Lebenssinn. Die Reihe der Vorgegebenheiten münden in einen letzten Sinn- und Seinsgrund, den wir Gott nennen.

Mit Leben als Gegebenheit ist die Aufgabe verbunden, es zu leben und auszugestalten. Aus diesem existenzanalytischen Denkansatz erwächst als pädagogische Aufgabe, das Kind in seinem Dasein zu bestärken, ja in ihm eine Daseinsfreude zu wecken. Dies geschieht mit Blick auf ein Eingebundensein in die ganze Schöpfung, in der Bewusstmachung eines Eigensinns innerhalb eines Sinnganzen. In Themen wie „Erde, gute Erde, du trägst uns alle“ – „Fallen und Vergehen“ – „Licht und Dunkel“ – „In Bewegung und in Ruhe sein“ – „Verschlossensein, sich öffnen“ – „Fortgehen und Heimkommen“ – Empfangen und Geben“ wird dieser Verfasstheit menschlicher Existenz nachgegangen und sie bewusst gemacht.

In didaktisch-methodisch geplanten Einheiten, sprich Anschauungen, wird Grundbefindlichkeiten nachgespürt. Entsprechende Themen lauten:

Der Leib meiner Mutter – mein erstes Zuhause.

Ich habe meine Mutter in gute Hoffnung gebracht.

Ich trete durch das Geburtstor ins Leben ein.

Ich trage einen Namen.

Ich habe einen Platz auf der weiten Erde.

Einheiten dieser Art spiegeln Vorgänge wieder, die das Leben eines Kindes bestimmen und die einer Nacherfahrung und Bewusstmachung wert sind. Ganz besondere Aufmerksamkeit gilt der Feier des Geburtstages.

 

DIE FRANZ-KETT-PÄDAGOGIK EINE BEZIEHUNGSPÄDAGOGIK

Der Mensch wird am Du zum Ich. Martin Buber

Unser Dasein vollzieht sich als ein In-der-Welt-Sein. Die Franz-Kett-Pädagogik unterscheidet dabei zwischen Umwelt. Mitwelt, Innenwelt. Die Selbstwerdung des Menschen geschieht in der Begegnung mit der Welt, in Beziehung zu ihr. Sie differenziert dabei bezüglich der Begegnungsweisen zwischen einem objektivierenden Erkennen, einem einfühlenden Schauen und einem gestaltenden Handeln. Sie spricht von einer Bildung von Herz, Hand und Verstand gleichermaßen. Die ganze Person wird in den Begegnungsakt mit hinein genommen, um so wiederum mit der Welt als Ganzheit zu kommunizieren.

In dieser Begegnung bedarf es der rechten Beziehungsfähigkeit. Diese Pädagogik beschreibt diese mit Begriffen von Martin Buber. Dieser spricht von einer Ich-Es und einer Ich-Du-Beziehung. In ersterer geht es um eine sachliche, rationale Durchdringung und um eine handelnde Bemächtigung der Wirklichkeit. Letztere vollzieht sich im Schauen und in der Fürsorglichkeit, in der Art, wie der kleine Prinz sich unter tausend Rosen um eine kümmert und diese so zu seiner Rose wird. Nach Martin Buber sind beide Beziehungspersonen wichtig.

„Ohne Ich-Es Beziehung kann der Mensch nicht überleben. Ohne Ich-Du Beziehung wird er nicht Mensch“.

Der Franz-Kett-Pädagogik ist dabei gerade die zweite Betrachtungsweise ein Anliegen, gleichsam in Ergänzung zu einem sachlichen, auf Gebrauch ausgerichteten Weltumgang. So lässt sich, um zu konkretisieren, was gemeint ist, eine Tulpenzwiebel erforschen, indem ich sie aufschneide und feststelle, sie ist „ein Kräftehaushaltsspeicher mit sieben Kammern“ (Hefteintrag in einer 2.Klasse Grundschule).

Ich vermag sie aber auch als Geheimnis zu erfahren. In ihr wohnen unsichtbar eine Grün- und Blühkraft, die ich durch einen Seziervorgang zerstören würde. Von letzterer lässt sich träumen und im fürsorglichen Umgang damit leiste ich das meine, dass sie sich entfaltet. Ich vermag darüber zu staunen, mich zu wundern und zu freuen.

Ich kann aus meinem Herzen sprechen: „Wie wunderbar sind deine Werke, Herr. In Weisheit hast du sie geschaffen“. Ps. 104

Der Ort ist, wo Augen dich ansehen. Wo sich die Augen treffen, entstehst du. Hilde Domin

Ganz besondere Aufmerksamkeit gilt in dieser Pädagogik dem menschlichen Miteinander. Es wird als „Ansehen empfangen und geben“ beschrieben. Die Ausbildung der Beziehungsfähigkeit besitzt Priorität. Mit der Beziehungsfähigkeit werden gegenseitiges Wahrnehmen, Einfühlen, Mitfühlen bis hin zur Kompassion gemeint, Es gehören dazu jede Form der Kontaktnahme, zum anderen, achtsamen Umgang miteinander, die Fähigkeit, sich auseinander zu setzen, eine Streitkultur. Die Franz-Kett-Pädagogik sieht diese Intention, angesichts des Mangels an Beziehungen, dem heute viele Kinder ausgesetzt sind, am besten in einer festen Gruppe gewährleistet. Die Sitzordnung bei einer gemeinsamen Anschauung ist der Kreis. In Art einer themenzentrierten Interaktion wird der Anschauungsgegenstand, eine Sonnenblume, eine Schüssel mit Reis , in Märchen, eine biblische Geschichte entdeckt, wahrgenommen in seiner Aussage geschaut und gedeutet.

Die erste Phase einer solchen geplanten Einheit ist die Versammlung. Die Gruppenmitglieder treten miteinander in Beziehung. Der Leiter weiß, dass sich eine Thematik in ihrer Tiefe, auch in ihrem Bezug auf die eigenen Existenz und auf Gott hin erst in einem Beziehungsraum, in einer Atmosphäre gegenseitigen Wohlwollens eröffnet.

 

DIE FRANZ-KETT-PÄDAGOGIK EINE SELBSTERFAHRUNGSPÄDAGOGIK

Selbsterkenntnis ist ein Abenteuer, das in unerwartete Weiten und Tiefen führt. C.G. Jung

Ziel einer Selbsterkenntnis ist es, zu verstehen wer man ist, um zu werden, der man sein soll. Werde, der du bist.

Dieser Appell setzt die Ausnahme voraus, dass jedem einzelnen eine Seinsbestimmung zu kommt und zwar als Mensch ganz allgemein und als Individuum im Besonderen. Zur Verwirklichung des Eigen-Sinns innerhalb eines Sinnganzen bedarf es neben der Selbsterkenntnis auch des Strebens nach Selbstverwirklichung, oder besser nach Selbstverwesentlichung. Die Kettpädagogik findet dabei in der Natur, z.B. in einem Stein, in einem Baum, in Vorgängen in der Natur, z.B. im Prozess des Wachsens einer vollen Ähre aus einem einzigen Korn, in Geschichten unterschiedlicher Art, z.B. in Märchen und biblischen Geschichten des Alten und Neuen Testaments Orientierungshilfen. Sie spricht von einem, in den genannten Dingen, Vorgängen, Erzählungen gespeicherten Lebenswissen, das es zu schauen und zu deuten gilt. Gemäß einem Goethe zugeschriebenen Satz „Was außen ist, ist innen, und was drinnen ist, ist draußen“, werden sichtbare Dinge, Vorgänge zu Metaphern, Symbolen seelischer Prozesse. Da spiegelt sich, um es in einem Beispiel auf zu zeigen, im Märchen von Hänsel und Gretel die Urerfahrung einer Lösung von Vertrautem, vom Elternhaus. Was anfänglich Leben ermöglichte, wird im Festhalten für den Prozess der Selbstwerdung zur Gefahr. Es muss das Kind in Neues, ihm noch nicht Vertrautes, Geheimnisvolles, ja unter Umständen Bedrohliches (Wald) geschickt werden, damit es Herausforderungen zu begegnen und die ihm eigenen Ressourcen (Schätze) zu entdecken vermag. Auf dem Hintergrund solcher Sichtweisen erhält dann eine biblische Geschichte wie die vom Auszug Israels aus Ägypten, existentielle Bedeutung. Wenn Gott, der Stiefmutter im Märchen gleich, Israel in die Wüste schickt, so deshalb, dass es sich selbst findet, zu dem wird, wozu es bestimmt ist, Volk Gottes. Der Adler, der seine Jungen aus dem Nest wirft, damit sie flügge werden, breitet zugleich die Schwingen aus, um sie im Falle des Absturzes aufzufangen. „Der du uns auf Adlers Fittichen sicher geführet“, singen wir im Kirchenlied.

Nun lassen sich im Elementarbereich dergleichen Einsichten und mehr noch Haltungen nicht auf Verstandesebene vermitteln, wenngleich eine Lösung von Mutter, Vater im gewissen Maße bereits erforderlich wäre. Es sei an die kleinen Dramen erinnert, die sich manchmal an den Eingangstüren eines Kindergartens ereignen. Eine den Kindern dieses Alters gemäße Vermittlung geschieht in der Dreiheit von Versprachlichung, Verbildlichung und Verleiblichung. Ein der Kettpädagogik eigentümlicher Weg dazu kann als symbolisierendes Handeln und Gestalten, fälschlich Tücherlegemethode genannt, bezeichnet werden.

 

DIE FRANZ-KETT-PÄDAGOGIK ALS RELIGIONSPÄDAGOGIK

Religiöse Erziehung als Teilgebiet muss immer problematischer werden; aber ein Ganzes ist Erziehung nur, wenn sie als Ganzes religiös ist. Martin Buber

In der Darstellung der Franz-Kett-Pädagogik  als Daseins-Beziehungs-Selbstverwesentlichungs-pädagogik wird ersichtlich, dass alles erzieherische Bemühen stets mit einem Blick auf einen letzten Sinn- und Seinsgrund, mit einem Überschreiten hinein in die Transzendenz verknüpft ist.

Dieses Letzte, Höchste, Tiefste – wir nennen es Gott – wird in einem, dem Alter des Kindes entsprechenden Bedenken (Kinderphilosophie – Kindertheologie) Gegenstand des Erkennens. Über Schauen wird dieses Letzte zu einem Anliegen des Herzens. Die Kettpädagogik betont den Weg des Schauens. „Anschauung“ ist einer ihrer Schlüsselbegriffe. In Bezogenheit auf Transzendentes ist sie eine mystagogische Pädagogik, geht es ihr im Prozess der Selbstwerdung um Verwesentlichung. „Die christliche Botschaft, die an den Menschen herangetragen werden soll … ist nicht das Herantragen eines Fremden und Äußeren, sondern die Erweckung und Interpretation des Innersten im Menschen, der letzten Tiefe seiner Dimension“. Karl Rahner

(Karl Rahner, Die Theologische Dimension der Frage nach dem Menschen. In: Ders., Schriften zur Theologie XII; Einsiedeln 1975, 402 f.)